Es war im Spätsommer 1981 soweit, das erste S-Klasse Coupé erblickte das Licht der Welt – es war das erste Mal das die Schwaben das große Coupé 1zu1 auf einer verkürzten Plattform der S-Klasse Limousinen aufbauten. Es gab an der Karosserie keinerlei Gleichteile (zumindest am äußeren Blechkleid nicht) und den Zweitürer zierten seinerzeit bereits der große (und etwas aggressive) SL-Kühlergrill mit Zentralstern, aber auch so Design- bzw. Funktionsexperimente wie schmutzfreie Außentürgriffe in Pantoffeloptik oder eine große, etwas barocke Chromleiste am Heckdeckel.
Der Typ C126 wurde ein voller Erfolg, 10 Jahre und 74.060 Einheiten später verließ das letzte Exemplar die Produktionshallen in Sindelfingen.
Seit diesem Tag gab es zwar immer wieder große Mercedes Coupés auf Basis der S-Klasse, auch wenn sie nach dem C140 immer eine andere interne Baureihenbezeichnung erhielten, so basierten sie weiterhin auf der S-Klasse Limousine. Sie setzten sich aber designtechnisch deutlicher ab und verfügten teilweise auch über völlig neue Errungenschaften der Technik, z.B. Bi-Xenon Scheinwerfer oder das erste ABC Fahrwerk um an dieser Stelle nur zwei Beispiele zu nennen.
Leider jedoch gab es seit jenem Tag im Spätsommer 1991 auch nichts wirklich spannendes mehr in diesem Segment von Mercedes. Der C140 war einfach zu groß und plump, der C215 eher ein moderner SLC und der C216 verfügte nicht über das gewisse Etwas.
Das sollte sich erst zu Beginn diesen Jahres wieder ändern – alleine der Anblick der ersten Pressefotos im Februar ließ gutes verheissen. Eine kurze Sitzprobe auf dem Genfer Salon überzeugte schliesslich auf ganzer Linie, allein die Heckansicht blieb recht gewöhnungsbedürftig.
Das alles änderte sich schlagartig als das Team von fuenfkommasechs.de am vergangenen Donnerstag die Schlüssel für einen S500 Edition1 übernehmen durften. Bereits der erste Anblick im dunklen Parkdeck des Flughafens Pisa, Italien, überzeugte auf ganzer Linie. Nach öffnen der Türe war man sich gar nicht mehr sicher ob es wirklich eine S-Klasse ist oder vielleicht doch eher ein Maybach, spürbar eleganter und luxuriöser als alles bisher da gewesene.
Nach dem Schlüsseldreh bzw. dem Druck auf den Keyless-Go Startbutton ging ein kurzes aber lautes Brabbeln, ja fast schon ein Fauchen durch das Parkhausdeck. Da war er also, der so stark angekündigte „Ton“ den Herr Dr. Storp bei jedem zweiten oder dritten Gespräch über das neue große Coupé erwähnte, er hatte nicht zuviel versprochen.
Woher der Ton kommt? Es wird nun serienmässig ein Klappenauspuff verbaut, der es ermöglicht den Auspuffsound ganz nach Wunsch des Fahrers zu steuern. Gekoppelt sind die beiden Klappenmodule (je links und rechts eines) mit einer pneumatischen Steuerleitung und dem Fahrmoduswahlschalter auf der Mittelkonsole. In Stellung Spaß, Pardon Sport tritt des Auspuffsound deutlicher und prägnanter ins Ohr, fast wie ein AMG!
Der Innenraum gleicht eher einem edlen und modernen Salon denn einem Fahrzeuginnenraum – in der von uns gefahrenen Edition1 ist Leder Nappa Exclusiv verbaut und überspannt alles im Innenraum, solange es kein Holz ist. Überhaupt sieht das Auge nur feinste Lederpberflächen, Klavierlack mit einer Art lackierter Intarsien, Aluminium (und Aluminium-Look-Plastik) sowie weichen Veloursteppich.
Was aber weitaus dramatischer auffällt ist das man nichts hört, außer dem Anlassgeräusch des 4,7 Liter großen und 455PS starken V8 Motors ist es dramatisch ruhig im Salon. Dies ist aber auch kein Wunder, denn so proklamiert Mercedes mit dem neuen S-Klasse Coupé das im Innenraum leiseste Fahrzeug der Welt auf Räder gestellt zu haben. Wir haben es nicht nachmessen können, können aber bestätigen das der Wagen bei 130 Km/h subjektiv so „laut“ im Innenraum ist, wie gewöhnliche Fahrzeuge bei Fahrten unterhalb von 80 Km/h. Mit anderen Worten es fällt deutlich auf!
Selbstverständlich verfügt das große Coupé auch wieder über automatische Gurtbringer und sogar über eine Schaltertaste zwischen den beiden großen Displays um den Gurtbringer auf eigenen Wunsch zum Dienst zu rufen, falls man sich nicht innerhalb der ersten ca. 15-30 sec angegurtet hat. Ziemlich schönes und auch notwendiges Detail.
Die Sitze sind vorne genauso genial und voll von Komfort wie sie es auch in der Limousine der Baureihe W222 sind. Hier gibt es keinen Grund für Klagen – man sitzt auch als 1.90m großer Zeitgenosse bestens und nicht wie ein „Affe auf dem Schleifstein“ was gerne mal bei anderen Coupés der Fall ist. Im C217 findet man auf Anhieb seine Lieblingsposition des Sitzes und kann deren Einstellung Dank serienmässigem Dreifach-Memory auch gleich auf alle Ewigkeit abspeichern.
Ein Detail am Armaturenbrett fällt noch besonders auf – der deutlich flacher bauende Bereich vor dem Beifahrerpassagier. Dank erstmalig verbautem, völlig neuem Airbag-Packaging ist deutlich weniger Bauraum nötig und lässt daher viel mehr Spielraum für die Innenraumgestalter übrig als normal der Fall.
Zudem fällt die bei Mercedes neuartige Schalterleiste für alle Sicherheits-Assistenten und Features links vom Lenkrad ins Auge. Sie ist nicht wie in der Limousine tief unten in der Nähe des Lichtschalters verbaut, sondern weit oben neben dem Kombiinstrumentendisplay. Also viel prägnanter im Auge des Fahrers und noch einfacher zu erreichen – dies hätte Herr Dr. Storp auch gerne in der Limousine so umgesetzt, wo es aufgrund von Einbauverhältnissen leider unmöglich war.
Designtechnisch leistet sich das große Coupé aus Sindelfingen keinen wirklich Schnitzer und erstaunlicherweise sieht die „Basisausführung“ in realer Welt (also mit eigenen Augen im natürlichen Umfeld) gar nicht so langweilig aus wie zunächst befürchtet. Man könnte fast sagen – Serienausführung kombiniert mit allen Sicherheits-, Komfort- und Luxusfeatures wäre die beste Wahl, wenn man mal eben um die 150.000 EURO über hat. Wahrscheinlich wird sich der Kaufpreis eher um um 180.000 EURO bewegen wenn man wirklich bei fast jeder SA zuschlägt.
In jedem Fall eine interessante Variante – weil recht mutig so etwas bei einem Großserienwagen anzubieten – stellen die neuen SA Swarovski Voll-LED Scheinwerfer mit ILS dar. Sie sind bei der von uns bewegten Edition1 serienmässig im Lieferumfang enthalten und bringen eigentlich rein gar nichts, ausser einer etwas exklusiveren Erscheinung.
Schönheit liegt im Auge des Betrachters und so entscheidet eben auch jener ob es schön ist 17 Swarowski Kristalle als Tagfahrlicht/Standlicht-Kombination und 30 als Fahrtrichtungsanzeiger spazieren zu fahren oder nicht. Es bringt allenfalls optische Vorteile mit sich – wenn es einem gefällt. Ich kann mich an dieser Stelle nicht wirklich dafür oder dagegen entscheiden, freue mich aber über diesen Schritt zu mehr Individualisierung. Die Käufer dieser SA werden wohl zumeist in China, Russland oder dem mittleren Osten zu finden sein.
Das Fahrverhalten dieses Gran Tourismo ist über jeden Zweifel erhaben, die serienmässige Airmatic federt alles weg was die Passagiere stören könnte und lässt sich auf Knopfdruck auch in einen Sport-Modus versetzen. Allerdings sucht man solche weitreichenden Einstellmöglichkeiten (Motor, Lenkung, Fahrwerk) wie in der neuen C-Klasse in diesem Oberklassewagen vergeblich. Vielleicht weil es die angestrebte Klientel ohnehin nicht nutzen würde, vielleicht aber auch weil solche Spielereien in einem Luxuswagen keine Daseinsberechtigung haben.
Leider konnten wir die neue Variante mit ABC Fahrwerk und Magic Body Control und neuartigem CURVE System nicht selbst erfahren, dafür reichte die Zeit nicht aus. Haben aber auf einem statischem Simulator am eigenen Leib erfahren können wie es sich anfühlt bzw. anfühlen müsste. Im Geschwindigkeitsbereich von 15 bis 180 Km/h neigt sich der große Zweitürer wie ein Motorrad entgegen der Kurve und „entkoppelt“ so seine Insassen von der Fliehkraft, zum Teil jedenfalls. Vielleicht haben wir in naher Zukunft noch einmal die Gelegenheit es zu testen und dann auch ausführlicher über diese neue Errungenschaft der Techniker aus Sindelfingen zu berichten. Solch ein Technikleckerbissen passt jedenfalls hervorragend zum neuen S-Klasse Coupé!
Einen Wehrmutstropfen haben wir allerdings dann doch noch gefunden – und nicht nur wir!
Den Heckdeckel bekommt man lediglich mit dem Schlüssel geöffnet, oder bei SA Keyless-Go auch mit dem berühmten „Fuss-Kick“, sofern der Schlüssel nicht im Innenraum befindlich ist bzw. der Motor läuft. Ansonsten bleibt nur immer wieder der Griff zum in der Fahrertüre verbauten Schalter zum automatischen Öffnen des Heckdeckels.
Was jetzt so besonderes daran ist? Der Heckdeckel verfügt über keinen Schließzylinder bzw. keinen Taster um von Außen einfach entriegelt zu werden.
Das wird in der Handhabung in der Praxis einen echten Mangel darstellen, auch wenn der Vorstand es wohl ziemlich einstimmig zugunsten eines feineren und glatteren Designs der großen Chromstange so entschieden hat.
Zumindest ein kleines, nahezu unsichtbares, Sensorfeld sollte man mittig oberhalb des Mercedes-Stern integrieren können.
In diesem Zusammenhang muss auch Erwähnung finden, das es äußerst schade ist nun das Typenkennzeichen doch an gewohnter Stelle rechts auf dem Heckdeckel vorzufinden, statt in der Mitte wie es beim Fotowagen für die Pressefotos noch der Fall war. Die Anordnung in Heckdeckelmitte unterhalb des Sterns war zwar ungewöhnlich, hatte aber ein prominentes Vorbild in Form des 300S Coupé/Cabriolets aus den frühen 1950er Jahren. Fraglich bleibt warum diese Anordnung nun also noch in der Vorserie abgeändert wurde.
Aber am Ende muss man auch immer noch genug Stoff für eine in ca. drei Jahren anstehende MOPF finden. Einen Punkt hätten wir nun bereits, mehr ist uns nicht aufgefallen, auch bei genauester Betrachtung, was insgesamt für ein mehr als ordentlich entwickeltes Fahrzeug spricht. Dies war jedoch auch nicht anders zu erwarten, schließlich stellt der große Zweitürer seit mehr als 60 Jahren das wahre Flaggschiff von Daimler dar.