Warum entschied man sich bei Daimler-Benz für die KE-Jetronic?

Die Frage ist schon so alt wie die Baureihen selbst, die mittels der KE-Jetronic befeuert wurden.

Wirkliche Antworten gab es bisher nicht – alles waren immer nur Mutmaßungen. Eine Antwort kam aus dem Lager der Gegner der KE-Jetronic und die andere aus dem Lager der Befürworter.

Aber warum denn nun eigentlich?

Hierzu muss man einen kleinen Schritt zurückgehen – in die 1970er Jahre – zu deren Beginn man sich bei Daimler-Benz für den Einsatz einer vollelektronischen Einspritzanlage, der Bosch D-Jetronic, entschied. Damals ein Meilenstein, ja noch vielmehr ein Quantensprung – schließlich war die erste Mondlandung noch nicht so lange her und die Welt erfand sich praktisch täglich neu und der technische Fortschritt war einfach nicht aufzuhalten.

Doch bei aller Euphorie dachte niemand an die Schattenseiten des schnellen Fortschritts – schließlich war die Elektronik im Automobil etwas ganz Neues. So kam es wie es kommen musste, es gab Probleme. Im Endeffekt war man im Hause Daimler-Benz nicht sonderlich begeistert von der D-Jetronic. Viel zu Fehleranfällig und sie quittierte bei einem Fehler zumeist gänzlich ihren Dienst – also nicht gerade dass was man von einem Mercedes erwarten würde. Zudem war Sparsamkeit im Kraftstoffkonsum nicht gerade eine der Tugenden der D-Jetronic.

So kam Ende der 1970er Jahre eine vollkommen mechanische Einspritzanlage zum Zuge, die K-Jetronic. Sie vermochte im Grunde alles genauso gut zu machen wie ihr vollelektronischer Vorgänger, war dabei aber praktisch immun gegen Fehler von Aussen und auch etwas genügsamer mit dem wertvoller gewordenen Stoff – Kraftstoff.

Doch die Entwicklung blieb ja bekanntlich nicht stehen – während man auf der IAA 1979 die vollkommen neue S-Klasse präsentierte und mit ihr die nagelneuen Leichtmetallmotoren (weiterhin mit K-Jetronic) so hatte Konkurrent BMW schon im leicht überarbeiteten Siebener-Modell die neueste Einspritzanlage aus dem Hause Bosch verbaut – die vollelektronische L-Jetronic. Anfänglich gab es diese jedoch nur im ab 1980 ausgelieferten Typ 732i (BMW_E23) – die anderen Motorisierungen kamen erst später in den Genuss (Begründung waren Kapazitäts-Probleme bei Bosch laut BMW – AZ 20/1979).

Im August 1980 wurden zwei nagelneue Motoren für die mittlere Baureihe (W123) angeboten: ein 2,0-l Vergaser und ein 2,3-l Einspritzer. Daimler-Benz wusste ganz genau dass man nach dem Debakel um die D-Jetronic und die guten Erfahrungen mit der K-Jetronic jetzt keine Experimente wie Konkurrent BMW eingehen wollte – durch seine guten Beziehungen zum Hause Bosch hatte man auch Zugriff auf die neueste Entwicklung und konnte diese sogleich im Babybenz genannten neuen Kompaktmodell „190E“ (W201) einfliessen lassen. 1982 war es dann soweit – die KE-Jetronic feierte ihre Weltpremiere!

Es handelt sich hierbei um eine vollkommen neuentwickelte mechanisch/elektronisch gesteuerte Benzineinspritzung. Bei diesem System werden die Vorteile des luftmessenden mechanischen Grundsystems durch die Aufschaltung elektronisch geregelter Korrekturfunktionen sinnvoll ergänzt.
Zu der Entscheidung, diesem neuentwickelten System vor anderen am Markt befindlichen Systemen den Vorzug zu geben, bedarf es einiger Hinweise.

Aufgrund jahrzehntelanger systematischer Arbeit bei der Entwicklung und Anwendung von Benzin-Einspritzanlagen wurden bei Daimler-Benz Kriterien erstellt, nach denen die Entscheidung für ein bestimmtes System getroffen wird.

Hierzu gehören u.a.:

  • Ausreichend große Variationsverhältnisse für Luft und Kraftstoff, um minimalen Leerlaufdurchsatz trotz hoher Maximalleistung darstellen zu können
  • Genaue Bereitstellung und gute Aufbereitung sehr kleiner Kraftstoffmengen
  • Minimieren der Toleranzsummierung mehrerer Einzelkomponenten durch gezielte Einstellung des Gesamtaggregates
  • Trennen von Kraftstoffzumessung, -aufbereitung und -verteilung voneinander, um diese drei grundlegenden Funktionen jede für sich optimieren zu können. So muss die Zumessstelle kalt und von Brennraumgasen geschützt sein.
  • Hohe Stabilität über die Lebensdauer, unabhängig von Motor-, Kraftstoff- und Betriebsbedingungen
  • Vernünftige Baugröße
  • Geringe Geräuschentwicklung
  • Solide hydraulische Verbindungstechnik
  • Notlauffähigkeit
(aus MTZ, 44.Jahrgang, Nr.6/1983)

Im W126 wurde ausschliesslich die so genannte KE III verbaut – erstmals mit dem neuen 6-Zylinder-Reihenmotor M103 eingeführt und bei der MOPF 1985 gleichzeitig auch in den überarbeiteten V8 Modellen eingesetzt.

Schnittstelle zwischen dem mechanisch-hydraulischen Teil und dem elektronischen „Regler“ ist ein elektro-hydraulisches Stellglied (EHS). Dieses stellt in Verbindung mit einer Festdrossel in der Mengenteilerunterkammer einen Druckregler dar, der nach Art eines Düse-Prallplatten-Systems arbeitet und durch einen elektrischen Strom gesteuert wird.

Mittels dieser durch moderne Bauteile für die Zukunft fit gemachten Einspritzanlage war auch eine optimale Lambdagesteuerte-Verbrennung Standard die nun den Einsatz eines geregelten Katalysators möglich machte. Daimler-Benz hatte nun also eine moderne Einspritzanlage in ihren Triebwerken und war gleichzeitig in der Lage sich den neuen umweltpolitischen Auflagen des Gesetzgebers in einem sehr hohen Maße zu stellen.

Die KE-Jetronic wurde letztmals im 32-Ventil V8-Motor M119 im neuen SL (R129) im Jahre 1989 eingesetzt.

Bei guter Wartung und regelmässiger Instandhaltung ist die KE-Jetronic auch im hohen Alter noch genauso zuverlässig und genügsam wie zu ihrer Zeit im aktuellen Automobilbau der 1980er Jahre.

Fotos: ©fuenfkommasechs.de & Daimler AG

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